Das Programm QuartierPflege

Ein ambulanter Pflegedienst aus Nachbar:innen und Angehörigen.

Modellübersicht im Detail | Die dazugehörigen Projekte | Die beteiligten Expert:innen

Auf einen Blick

Das Ziel der QuartierPflege ist es, die pflegerische Grundversorgung zu Hause sicherzustellen über die systematische, nachhaltige und wertschätzende Beschäftigung von Angehörigen und Nachbar:innen. So erfahren Menschen mit Pflegebedarf eine umfassendere Unterstützung und mehr Lebensfreude, da sie gut aus der vertrauten Umgebung heraus versorgt werden können.

Die QuartierPflege kurz erklärt:

  • Ist ein (kommunaler) ambulanter Pflegedienst aus Angehörigen und Nachbar:innen (auf Landkreisebene)

  • Reagiert auf den Personalnotstand in der ambulanten Pflege durch Grundversorgung aus der unmittelbaren Nachbarschaft

  • Weil der Bedarf an Pflege das Angebot übersteigt und medizinische Behandlungspflege (zunächst) nicht Teil der QuartierPflege ist, gibt es keine Konkurrenz zu privaten Anbietern

  • Erfolgt auf der Basis der geltenden Gesetzgebung und wird über die Pflegeversicherung finanziert - wie jeder andere private Pflegedienst auch 

  • Setzt auf strategische Kooperationen (ambulante Dienste, Hausärzt:innen, Apotheker:innen, Bürgervereine etc.)  und Gruppenangebote im Quartier - soziale Teilhabe 

  • Senkt Einstiegshürden für die Mitwirkung an ambulanter Pflege durch modulares Schulungskonzept, passgenaue Angebote für alle Generationen und professionelle Integration diverser Engagementstufen von Ehrenamt über Minijob bis Vollzeit

  • Senkt Kosten für Hilfe zur Pflege, weil Menschen mit Pflegebedarf in der Häuslichkeit verbleiben können

  • QuartierPflege integriert neben Pflege auch Angebote für Menschen mit Demenz und Behinderung

Wir setzen das mehrfach ausgezeichnete Pilot-Programm seit 2018 in Halle, Leipzig, Esslingen und mit den Landkreisen Landsberg am Lech und Mayen-Koblenz mit einem Fördervolumen von insgesamt 5 Millionen Euro bis 2030 um. Eine deutschlandweite Skalierung über ein dann ausgearbeitetes Baukastensystem schließt sich daran an.

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Modellübersicht im Detail

Pflegebedürftige in Deutschland: ca. 0,8 Millionen werden in Heimen betreut und 4,1 Millionen Menschen waren 2019 pflegebedürftig

Immer mehr Menschen mit Pflegebedarf und immer weniger Fachkräfte in der Pflege: Durch den Pflegenotstand sind klassische Pflegedienste überlastet und eine angemessene Pflege der Menschen mit Bedarf ist kaum noch möglich.

Studien prognostizieren eine Personallücke von zwischen 250.000 bis 400.000 Pflegefach- und hilfskräften bis zum Jahr 2030. Das liegt unter anderem an dem hohen Altersdurchschnitt der aktuell im Gesundheitswesen Beschäftigten.

Selbst wenn durch eine Gesetzesänderung die Pflegeversicherung in eine Vollversicherung umgewandelt würde, ist es äußerst unsicher, ob der Pflegeberuf im Vergleich zu anderen Berufen ausreichend attraktiv wäre, um genügend Neueinstellungen von Fachkräften zu gewährleisten.

Die Anzahl pflegender Angehöriger wird nicht steigen, da unsere Arbeitswelt und modernen Lebensumstände dies nicht zulassen. Zudem bringen die Belastungen der Pflege Familien oft emotional und finanziell an ihre Grenzen, was bereits heute zu viel diskutierten Problemen wie häuslicher Gewalt und Gender-Ungerechtigkeit führt.

Beschäftigte im Gesundheitswesen

Die Digitalisierung, speziell die Robotisierung, könnte rein quantitativ zur Problemlösung beitragen. Ob damit komplexe Tätigkeiten abgedeckt werden können, bleibt jedoch höchst fraglich. Menschliche Fürsorge bliebe weiterhin vernachlässigt.

Aus unserer Sicht sind Nachbar:innen die einzige Gruppe, die sinnvoll den Fachkräftemangel und die damit verbundenen Probleme lindern kann.

Das entspricht im Übrigen genau der gesetzlichen Grundlage: Gemäß §3 des Pflegegesetzes nach SGB 11 hat die häusliche Pflege Vorrang vor ambulanter oder stationärer Versorgung. Das Gesetz sieht also ausdrücklich vor, dass die häusliche Pflege durch Angehörige und Nachbar:innen getragen wird.

Unsere Vision

Laut Forsa-Umfrage vom März 2023 machen sich über 50 Prozent der Menschen große oder sehr große Sorgen für den Fall, einmal selbst pflegebedürftig zu werden. Studien prognostizieren eine Personallücke von bis zu 400.000 Pfleger:innen die uns schon im Jahr 2030 fehlen werden.

Das Modell QuartierPflege setzt diesem absehbaren Notstand so stabile und gute Rahmenbedingungen für das Engagement von Nachbar:innen und Angehörigen entgegen, dass Menschen mit Pflegebedarf trotzdem versorgt werden können. Sie erhalten die Fürsorge, hauswirtschaftliche Unterstützung und Grundpflege, die sie brauchen und verdienen.

So funktioniert die QuartierPflege:

  • Menschen mit Pflegebedarf erhalten Unterstützung durch ein professionelles Netzwerk von Nachbar:innen aus ihrem Umfeld und werden besser sozial integriert. Je nach eigenen Fähigkeiten können sie auch selbst unterstützen.

  • Nachbar:innen leisten Hilfe und erleben die Dankbarkeit der von ihnen gepflegten Menschen. Sie können so mit einer sinnvollen Tätigkeit mit niedrigen Einstiegshürden etwas dazuverdienen.

  • Pflegende Angehörige werden durch diese Nachbar:innen entlastet und können sich dabei auf die QuartierPflege verlassen. Sie sind auch selbst Teil des aktiven Netzwerks. Sie werden für die Pflege, die sie ohnehin leisten, entlohnt. Dabei haben sie die Sicherheit, ihre Angehörigen in guten Händen zu wissen.

  • Wir geben den Kommunen somit eine konkrete, direkt umsetzbare Handlungsoption, die zudem soziale Teilhabe beflügelt und regionale Geldkreisläufe verstärkt.

Das alles wird aus dem Mitteln der Pflegeversicherung finanziert, für die Pflegebedürftigen entstehen keine Extrakosten.

Mit unserem Programm schaffen wir die Voraussetzungen dafür, dass Initiativen vor Ort, bestehende ambulante Dienste, Wohlfahrtsverbände, Wohnungsgesellschaften, Gemeinden, Landkreise und Bundesländer QuartierPflege rechtlich tragen und umsetzen können. Die QuartierPflege basiert auf den aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen und finanziert sich selbst. Insofern gibt es keine Gegenargumente mehr für Verantwortungsträger:innen, den ihnen übertragenen Aufgaben auch nachzukommen. Durch die QuartierPflege können wir zumindest eine Grundversorgung in Zeiten akuten Fachkräftemangels sicherstellen.

Wir versuchen also aus einem Notstand das Beste zu machen – und das mit sehr positiven Auswirkungen auf Beschäftigung, soziale Teilhabe und Fürsorge:

  • Die tätige Pflege innerhalb einer kleinen Nachbarschaft führt automatisch zu einer erhöhten Netzwerkaktivität im Quartier. Tätigkeiten wie Einkaufen, Bügeln, Essen und Lesen sind ohnehin soziale Interaktionen, und auch Körperpflege sollte in einem sozialen Kontext stattfinden.

  • Pflegebedürftige können dadurch nicht nur wesentlich länger und unabhängiger in ihrem vertrauten Wohnumfeld bleiben, sondern nehmen durch die Einbindung in das Nachbarschaftsnetzwerk weitaus stärker am sozialen Leben teil. Dies kann sich positiv auf den Erhalt physischer, psychischer und kognitiver Fähigkeiten auswirken.

Mit den Zusatznutzen einer erhöhten sozialen Teilhabe und einem hohen ortsbezogenen Beschäftigungspotential sehen wir Chancen zu einer tatsächlichen Schubumkehr in der Pflege hin zu örtlichen, miteinander vertrauten, für sich sorgenden Gemeinschaften.

Zielgruppen

Die QuartierPflege richtet sich an Menschen mit Pflegebedarf, Angehörige, die diese pflegen und an alle Menschen, die in der Nachbarschaft wohnen und sich pflegerisch einbringen und etwas dazuverdienen möchten. Selbstverständlich gilt all dies für Menschen mit und ohne Behinderung.

Der Wunsch nach einer Grundversorgung ist allen Menschen mit Pflegebedarf gemein, unabhängig von dem ihnen zugeteilten Pflegegrad. Die benötigten Hilfen und deren Intensität variieren je nach Pflegegrad. Diesen individuellen Bedarf ermitteln Fachkräfte im Einzelfall und organisieren dafür ein Netzwerk aus Nachbar:innen. Daher gehört jeder Mensch mit einem Pflegegrad von 1 bis 5 zu unserer Zielgruppe. Bei Menschen mit höheren Pflegegraden tritt zusätzlich ein klassischer ambulanter Dienst hinzu, der sich auf Behandlungspflege oder komplexe Grundpflege konzentriert.

Wir betrachten Angehörige nicht als Laien, sondern als hochengagierte Personen, die in Bezug auf die Pflege der ihnen nahestehenden Personen in vielen Bereichen mehr wissen als alle anderen. Dabei ist es unerheblich, ob Angehörige im Haushalt wohnen, in der Nachbarschaft oder fernab: Unser Ziel ist es, Angehörigen, wenn sie und die pflegebedürftigen Menschen das wünschen, eine koordinierende Stellung im Netzwerk zuzuweisen. Nicht zuletzt auch, um das professionelle Fallmanagement vor Ort zu flankieren und zu entlasten.

Angehörige können im ambulanten Dienst der QuartierPflege regulär angestellt werden und erhalten dadurch quasi einen Pflegelohn – eine jahrelange Forderung der Verbände, die wir innerhalb der bestehenden gesetzlichen Rahmenbedingungen in der QuartierPflege umgesetzt haben.

Alltagsbegleitung

– Begleitung außer Haus
– Individuelle Beschäftigung
– Mahlzeiten zubereiten und verzehren
– Gedächtnistraining
– Gruppenaktivitäten
– Gymnastik

Hauswirtschaft

– Fenster putzen
– Wäsche waschen, aufhängen, zusammenlegen
– Beheizen und Lüften
– Einkaufen
– Wohnräume reinigen
– Bettwäsche wechseln
– Haustiere versorgen

Nachbar:innen sind divers und keine homogene Gruppe. Weil wir um die Schwierigkeiten wissen, Nachbarschaft zu mobilisieren, konzentrieren wir uns auf kleinteilige Sozialräume, wo Betroffene, Angehörige und Nachbarschaft sich untereinander bereits kennen und begegnen. Zwei klare Abgrenzungen lassen sich gleichwohl treffen:

  • Nachbar:innen wohnen im ausgewählten Kleinquartier.

  • Sie haben ein Alter zwischen 14 und 80 Jahren.

Grundpflege

– Mund- und Zahnpflege
– An- und Ausziehen
– Aufstehen und Zubettgehen
– Mobilität in der Wohnung
– Benutzen der Toilette
– Körperwaschung und Duschen

Für die Aufgaben werden die Nachbar:innen jeweils passend geschult. Die Tätigkeiten kommen aus den Bereichen Alltagsbegleitung, Hauswirtschaft und Grundpflege. Für die Behandlungspflege bleiben die etablierte ambulante Dienste zuständig.

Nachbar:innen engagieren sich ehrenamtlich, in Teilzeit oder in Vollzeit, angestellt oder freiberuflich – entsprechend ihren Präferenzen und den Tätigkeiten, die sie in der QuartierPflege übernehmen möchten. Einmal im Monat etwas vorzulesen ist ein Ehrenamt, während Tätigkeiten wie dreimal in der Woche Einkaufen, Kochen oder Hilfe bei der Körperpflege regulär entlohnt werden. Die QuartierPflege schafft damit erhebliche Zuverdienste und reguläre Beschäftigung durch Ehrenamt und Arbeit mit langjährig bekannten und geschätzten Menschen in der eigenen Nachbarschaft.

Die lokalen Netzwerke

In Quartieren mit ca. 1.500 bis 2.500 Bewohner:innen entstehen lokale Netzwerk aus drei bis sechs festen Nachbar:innen pro pflegebedürftiger Person. Sie entlasten die Angehörigen und Menschen mit Unterstützungsbedarf. Unsere Quartiergröße symbolisiert eine vertraute Nachbarschaft, die sich über persönliche Beziehungen koordinieren lässt. Gleichzeitig ist es eine Steuerungsgröße: eine Gemeinde besteht also aus einem oder wenigen Quartieren, eine Kreisstadt je nach Größe um die zehn Quartiere und Großstädte haben eine Vielzahl an Quartieren.

Die Nachbar:innen werden pro Quartier dabei durch das Fallmanagement begleitet. Dort werden Termine koordiniert, Einsätze von Nachbar:innen und Angehörigen geplant und zwischen allen Beteiligten vermittelt. Gegebenenfalls benötigte professionelle Pflegekräfte kümmern sich um anspruchsvolle pflegerische Tätigkeiten und treten dem Netzwerk punktuell bei.

Gemeinsam bilden sie Sorgegemeinschaften:

Durch die Vertrautheit eines überschaubaren Quartiers setzt die QuartierPflege gute Rahmenbedingungen für ein nachbarschaftliches, sinnstiftendes Gemeinschaftsgefühl. Man kennt sich, man schätzt sich, man versteht seine Stärken und Schwächen. Durch kontinuierliches und zuverlässiges Engagement in Netzwerken vor Ort entstehen menschliche Nähe und wachsende Vertrautheit. Die QuartierPflege wird somit zu einem Motor der sozialen Teilhabe, denn Pflege bedeutet nicht nur medizinische Versorgung, sondern auch Kochen, Spielen, Bügeln oder Spazierengehen. Aus dieser menschlichen Nähe und Verbindung miteinander ergibt sich quasi automatisch mehr Fürsorge in der Pflege.

Engagementstufen

Wir schlagen ein Stufenmodell des Engagements in der QuartierPflege vor:

  • 2 bis 4 Stunden pro Woche, unverbindlich, ehrenamtlich

  • 4 bis 8 Stunden pro Woche, unverbindlich, selbstständig oder ehrenamtlich

  • 4 bis 8 Stunden pro Woche, verbindlich, angestellt im Minijob

  • 8 bis 40 Stunden pro Woche, verbindlich, angestellt in Teil- bis Vollzeit

Wir sehen durch diese variable Form der Entschädigung eine Grundvoraussetzung dafür erfüllt, dass Nachbar:innen sich wertgeschätzt fühlen können. Der Übergang zu regulären Hilfs- oder Fachkräften ist gewünscht und einfach möglich. Begleitende Zusatzqualifizierungen liegen im Interesse der kooperierenden ambulanten Dienste oder der Trägergesellschaft im Quartier.

So entsteht eine Treppe des Engagements, die vom lockeren Ehrenamt bis hin zur stabilen, verbindlichen Beschäftigung im gewünschten Umfang führt. Daher ist es uns wichtig, dass die vertraglichen Möglichkeiten für Ehrenamtliche und Angestellte zwischen 2 und 40 Stunden pro Woche liegen.

Schulungskonzept

Die Treppe des Engagements wird unter anderem ermöglicht durch unser Schulungskonzept: Nachbar:innen übernehmen ausschließlich Aufgaben, für die sie eine Schulung erhalten haben. Dies stellt eines unserer Grundprinzipien dar, um von Anfang an die solide Qualität der durchgeführten Tätigkeiten zu gewährleisten.

Die Schulungen werden so gestaltet, dass sie von den Nachbar:innen als willkommene und notwendige Qualifizierung betrachtet werden. Daher ist unser Schulungskonzept auf einzelne Tätigkeiten ausgerichtet, die sich aus den Leistungskomplexen der Krankenkassen für die Bereiche Hauswirtschaft, Alltagsbegleitung sowie Grundpflege ergeben. Dabei handelt es sich ausdrücklich nicht um Behandlungspflege.

Dauer und Umfang der Schulungen richten sich nach dem Einsatz. Eine Nachbarin, die ausschließlich Einkaufshilfe leistet, wird maximal eine Schulung von 1,5 Stunden akzeptieren. Im Gegensatz dazu wird jemand, der beim Duschen assistiert, einen Schulungsaufwand von bis zu 4 Stunden verstehen und begrüßen, um die Tätigkeit sicher und umsichtig ausführen zu können.

Wird das Tätigkeitsfeld erweitert, kommen neue aufgabenbezogene Inhalte hinzu. So entwickelt sich über Monate oder Jahre die Treppe des Engagements, indem Nachbar:innen sich auf spezifische Aufgaben konzentrieren und zusätzlich für neue Verantwortlichkeiten qualifiziert werden. In der Regel beginnen Nachbar:innen mit Tätigkeiten in den Bereichen Hauswirtschaft oder Alltagsbegleitung. Tätigkeiten im Bereich Grundpflege kommen erst nach einer gewissen Zeit hinzu.

Neben den aufgabenbezogenen Schulungsinhalten gibt es auch übergeordnete Module, die sich mit der Sensibilisierung für die Zielgruppe älterer Menschen beschäftigen.

Im Rahmen der Schulungen entsteht außerdem eine direkte Interaktion zwischen dem Fallmanagement und den Nachbar:innen. Dadurch wird nicht nur fachliche Kompetenz vermittelt, sondern auch der persönliche Austausch gefördert.

Hier erfahren Sie mehr über unser Schulungskonzept.

Fallmanagement

Entscheidend für den Erfolg der QuartierPflege ist das Fallmanagement, das aus Netzwerk-Koordination und Quartier- bzw. Pflegemanagement von Angehörigen und Nachbar:innen besteht.

Modernes Freiwilligenmanagement geht in seinen Hypothesen davon aus, dass kleine, übersichtliche, klar umgrenzte Tätigkeiten auf Zeit und flexibel ausgeübt werden können. Für Freiwillige ist es neben der Qualifizierung darüber hinaus wichtig, in Netzwerke eingebunden und fachlich dauerhaft begleitet zu werden. Genau das macht die QuartierPflege über das Fallmanagement.

Fallmanagement in einem Quartier von 1.500 bis 2.500 Bewohner*innen ist im Kern die Leitung eines Netzwerkes von bis zu 50 Pflegebedürftigen und bis zu 125 Nachbar*innen. Je nach Ausprägung des Quartiers sowie Stand der Quartierentwicklung sind dafür ein bis zwei Vollzeitkräfte nötig.

Digitalisierung

Die komplex vernetzte Gemeinschaft der QuartierPflege braucht eine effiziente Organisation, um informell Pflegende zu entlasten. Interaktive Technologien können dabei helfen.

Die Einführung digitaler Dienstleistungen und Produkte in der QuartierPflege ist daher von besonderer Bedeutung. Dabei achten wir darauf, dass Nutzer:innen direkt einen Mehrwert erkennen und Hürden bei der Bedienung vermieden werden, um auch weniger technikaffine Menschen mit einzubeziehen.

Insbesondere die Nutzung von E-Mails, Chats oder Apps erleichtert die Koordinations- und Austauschprozesse. Hierfür gibt es bereits Lösungen auf dem Markt, die speziell für die ambulante Pflege entwickelt wurden. Mit dem Marktführer für IT-Lösungen in der Sozialwirtschaft Connext Vivendi1 und der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg erweitern wir bestehende Software-Lösungen so, dass Angehörige und Nachbar:innen zukünftig eigenständig ihre Einsätze und Touren untereinander und mit dem Fallmanagement abstimmen können.

Hier erfahren Sie mehr über unsere IT-Systemlandschaft.

Finanzierung

Die QuartierPflege ist rechtlich gesehen ein ganz normaler ambulanter Pflegedienst. Dessen Leistungen für pflegebedürftige Personen werden aus Mitteln der Pflegeversicherung finanziert. Mit diesen Geldern werden die laufenden Kosten der QuartierPflege gedeckt. Menschen mit Pflegegrad müssen daher nichts extra zahlen, sondern werden über die ihnen zugesprochene Sachleistung versorgt, die je nach Pflegegrad variiert. Dazu kommen Gelder aus Verhinderungspflege, Entlastungsbetrag oder bei Menschen mit Behinderungen auch des persönlichen Budgets.

Als ein ambulanter Dienst aus Nachbar:innen und Angehörigen vergüten wir die Leistungen, wenn gewünscht, genauso tariflich wie alle professionellen ambulanten Dienste auch. Das bedeutet, dass Angehörige sich bei der QuartierPflege anstellen lassen können und eine Art Pflegelohn erhalten – einen regulären Verdienst, der der Steuer unterliegt und Rentenpunkte bringt sowie regulär sozialversichert ist. Das gilt genauso für engagierte Nachbar:innen oder Menschen, die trotz eigenen Unterstützungsbedarfs anderen helfen möchten und können. Wir nutzen also die geltende Rechtslage, drehen aber das Spielfeld um 180 Grad, indem wir die informelle Sorgegemeinschaft genauso honorieren wie professionelle Kräfte.

Zur Einordnung: Professionelle ambulante Dienste bestehen ohnehin zu 80 Prozent aus (ungelernten) Hilfskräften, nur 20 Prozent der Mitarbeiter:innen sind Fachkräfte. Die QuartierPflege ist also personell nicht so verschieden von klassischen ambulanten Diensten, wie das auf den ersten Blick vielleicht erscheinen mag. Zudem sind pflegende Angehörige aus unserer Sicht keine Laien, sondern ohnehin der größte Pflegedienst Deutschlands. Wir geben diesen Menschen lediglich eine Struktur, eine Organisationsform, die sie achtet, wertschätzt und entsprechend auch entlohnt, wenn das gewünscht ist.

Die Umsetzung des Programms QuartierPflege, also des Aufbaus von Wissen und Projektfähigkeiten des gemeinnützigen Vereins wird über Fördergelder gewährleistet, unter anderem durch:

  • Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK)

  • Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)

  • Robert-Bosch-Stiftung

  • Software AG Stiftung

  • Heidehof Stiftung

  • Kommunen (Landkreis Landsberg a. Lech, Landkreis Mayen-Koblenz etc.)

Die QuartierPflege ist folglich praktikabel, direkt umsetzbar und voll durchfinanziert. Benötigt werden lediglich Anschubfinanzierungen für Pilotprojekte. Die mittelfristige Finanzierung nach Aufbau der benötigten Strukturen erfolgt über die Pflegeversicherung sowie weitere angrenzende bestehende Gesetze und Normen.

Beteiligte

Angestoßen wurde die QuartierPflege vom Verein Gesellschaft für Gemeinsinn e.V. aus Leipzig und ist nun ein bundesweites Programm mit zehn verschiedenen Projekten an ganz unterschiedlichen Standorten.

Der gemeinnützige Verein übernimmt die strategische Programmentwicklung, damit die Hauptziele und Instrumente in der Umsetzung mit Laufe der Zeit immer genauer und wirkmächtiger werden. Die IT-Landschaft, in der Nachbar:innen und Angehörige effizient mit klassischen Pflegediensten Einsatzplanung koordinieren können, setzen wir mit dem Marktführer für IT in der Sozialwirtschaft Connext unter wissenschaftlicher Begleitung um.

Außerdem koordiniert die Gesellschaft für Gemeinsinn die Projektumsetzung an den Standorten, damit Erfahrungsaustausch und Skalierung von Quartieren möglichst reibungslos funktioniert. Aktuelle Kooperationspartner:innen sind beispielsweise die Pflegeversicherung AOK Plus, die Verwaltungsgemeinschaft Rhinow, der Landkreis Landsberg, der Betreuungsdienst ABE Zuhause genauso wie lokale Kirchgemeinden, Wohnungsbaugesellschaften und Nachbarschaftshilfen oder das Sozialamt.

Operative lokale Kooperationspartner:innen vor Ort sind auch Bürgervereine, Sportvereine, Stiftungen und andere Akteur:innen der Zivilgesellschaft. Auch hier geht es uns um Bekanntmachung der QuartierPflege und Einbeziehung der Partner:innen, um spezifische örtliche Angebote der Alltagsbegleitung zu schaffen. Bisweilen überlappen sich Angebote der offenen Seniorenarbeit und der Alltagsbegleitung laut Pflegeversicherung. In solchen Fällen können lokale Kooperationspartner:innen Teilaufgaben der Koordination in einem Quartier direkt übernehmen.

Darüber hinaus kooperieren wir strategisch mit Ärzt:innen, Apotheken und Pflegekassen. Das Ansehen dieser Institutionen spielt eine große Rolle, und wir nutzen ihren Vertrauensvorschuss. Insbesondere bei Menschen mit Pflegegrad, die bereits betreut werden, erfolgt die Ansprache über die ambulanten Dienste oder Betreuungsdienste.

Auszeichnungen und Preise

Pressespiegel

Hier bündeln wir Presseartikel zum Programm und zu den gewonnen Preisen.

Mit Ihrem Projekt widmen Sie sich einem gesellschaftlich hochrelevanten Thema. Auch aus meiner Sicht mangelt es an der ernsthaften politischen Bearbeitung des Problems. Ihre Vision und Ihr Ansatz sind sehr interessant und machen Hoffnung.

Mit Ihrem Konzept greifen Sie eines der wichtigsten Themen auf, das die Gesellschaft derzeit beschäftigt. Die Komplexität und die detaillierte Ausarbeitung der einzelnen Handlungsfelder zeigt, wie viel Herzblut Sie in das Projekt legen und bereits gelegt haben.
— Feedback der Jury
 

Die QuartierPflege wird gefördert von:

Umsetzung: Die einzelnen Projekte

Seit 2018 wird an der QuartierPflege gearbeitet – zuerst in offenen Diskussionen mit Anspruchsgruppen. 2019 wurde ein vorläufiges Modellprojekt in Halle an der Saale getestet und seit 2021 haben wir begonnen, die QuartierPflege am Standort Leipzig zu testen. Seit 2022 setzen wir nun den ersten Piloten in Leipzig um und seit 2024 pilotieren wir auch im Landkreis Landsberg am Lech.

Hier finden Sie eine Übersicht der aktuellen und abgeschlossenen QuartierPflege-Projekte:

IT Systemlandschaft | bundesweit | 2022 - 2026

Engagement durch die Nachbarschaft kann Angehörige von Pflegebedürftigen erheblich entlasten und den Fachkräftemangel in der Pflege abmildern. Damit derartige Sorgegemeinschaften gut funktionieren, benötigen wir interaktive digitale Technologien. Mit dem Marktführer für IT-Lösungen in der Sozialwirtschaft - Connext Vivendi - und der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg erweitern wir bestehende Software-Lösungen so, dass Angehörige und Nachbar:innen zukünftig eigenständig ihre Einsätze und Touren untereinander und mit den Pflegelotsen im Quartier abstimmen können. Wertschätzung und Gleichberechtigung mit dem professionellen Sektor führen wir also quasi durch die digitale Hintertür ein, in dem wir die Spielregeln institutionell verändern.

Zum Projekt IT-Systemlandschaft
 

Demenz & Behinderung | Standort Leipzig | 2023 - 2026

Menschen mit Behinderungen haben einen im Zweifel noch höheren Bedarf für QuartierPflege als die bisherige Zielgruppe ältere Menschen. Mit dem neuen Bundesteilhabegesetz ergeht die Aufforderung und Förderung für Menschen mit Behinderung sich stärker selbst zu versorgen und zu organisieren und Unterstützung aus dem Sozialraum zu nutzen, aber auch selbst Unterstützung anzubieten. Hierzu fehlt es aktuell an koordinativen unterstützenden Prozessen für diese Menschen, sich ein Netzwerk aus Unterstützer:innen aufzubauen.

Menschen mit Demenz haben besondere Bedürfnisse, welche direkte Auswirkungen auf ihr Umfeld haben, andere Schulungsinhalte für Nachbar*innen erfordern und für die gesamte Sorgegemeinschaft andere Herausforderungen beinhalten. Diese Anforderungen integrieren wir in die QuartierPflege

Zur Zielgruppenerweiterung
 

Schulungskonzept | Standort Leipzig | 2020 - 2021

Nachbar:innen müssen sich in der Lage sehen, unterstützen, sorgen bzw. pflegen zu können. Ansprechpartner:innen, Beratung und Schulungsmöglichkeiten müssen vor Ort vorhanden sein, um Pflegebereitschaften in der Nachbarschaft gezielt fördern zu können. Unser Schulungskonzept ist daher auf einzelne Rollenprofile und Aufgaben ausgerichtet. Modernes Freiwilligen-Management geht in seinen Hypothesen genau davon aus: kleine, übersichtliche, klar umgrenzte Tätigkeiten, die auf Zeit und flexibel ausgeübt werden können.

Zum Schulungskonzept
 

Modellprojekt | Standort Halle | 2019 - 2020

In einem ausgewählten Kleinquartier von ca.1.500 Bewohner:innen diskutierten wir die Rahmenbedingungen für ein gesteuertes und angeleitetes Nachbarschaftsnetzwerk zwischen April 2019 und August 2020. Das Quartier im Rosengarten der Bau- und Wohnungsgenossenschaft Halle-Merseburg e.G. war besonders geeignet, weil es mit 1.000 Wohneinheiten, seiner nahbaren Struktur sowie einer Begegnungsstätte gute Voraussetzungen bot, um mit Hilfe der Genossenschaftsverwaltung im Wohnquartier hauswirtschaftliche Unterstützung, Fürsorge und Grundpflege zu organisieren.

Zum Modellprojekt

Umsetzung | Landkreis Landsberg am Lech | 2024 - 2030

In Landsberg am Lech entsteht auf der Ebene des Landkreises ein kommunaler ambulanter Pflegedienst aus Angehörigen und Nachbarinnen. Dieser kommunale Eigenbetrieb wird für alle Gemeinden des Landkreises sowie für alle Nachbar:innen und Angehörigen im Landkreis die QuartierPflege rechtlich tragen. Für die strategische Projektplanung und Umsetzung hat der Landkreis Gelder bereitgestellt. In 6 von 31 Gemeinden des Landkreises setzen wir QuartierPflege heute bereits um. Die Gemeinden beteiligen sich auch finanziell. Der Freistaat Bayern unterstützt das Projekt mit Fördergeldern. Insgesamt setzen wir damit 2 Millionen für Einführung von QuartierPflege im Landkreis Landsberg ein.

zum projekt Landsberg am Lech
 

Pilotprojekt | Standort Leipzig | 2022 - 2026

Zusammen mit unserem strategischen Partner der ABE Zuhause gGmbH setzen wir unseren Piloten in zwei Kleinquartieren in Leipzig um. Unser Projektziel ist es nicht, die gesamte pflegerische Versorgung für diese Personengruppe zu übernehmen, sondern bestehende Pflegestrukturen so zu flankieren, dass professionelle Dienste sich auf anspruchsvolle pflegerische Tätigkeiten konzentrieren können. Wir möchten eine Anzahl von 50 Pflegebedürftigen über ein gesteuertes und angeleitetes Nachbarschaftsnetzwerk unterstützen. Dazu wollen wir bis zu 125 Nachbar:innen mobilisieren, die nachbarschaftliche Sorge-, Hauswirtschafts- und Grundpflegeleistungen erbringen.

Zum Pilotprojekt Leipzig
 

Kulturelle Partizipation | Standort Leipzig | 2023

Wir möchten das Thema Pflege nicht alleine faktisch, sachlich vermitteln, sondern einen partizipativen soziokulturellen Ansatz wählen. So können wir die QuartierPflege auf verschiedenen Ebenen kulturell vermitteln und damit beispielsweise unterschiedliche Zielgruppen wie Alleinerziehende, Renter:innen, Jugendliche ab 14 und Studierende viel besser ansprechen. Diese Zielgruppen beschäftigen sich ganz unterschiedlich mit den Themen Barriere, Gebrechlichkeit, Teilhabe oder Inklusion und so unterschiedlich möchten wir auch auf diese Gruppen zugehen können. Wir entwickeln einen Konzept-Baukasten für die Mobilisierung aller Generationen und Zielgruppen in den Quartieren.

zum Projekt Kulturelle Partizipation
 

Inspiration für die QuartierPflege | 2018

Unsere Diskussionsveranstaltungen in der naTo - ein soziokulturelles Zentrum in Leipzig - im Jahr 2018 mit Pfleger:innen, Gepflegten sowie Politiker:innen und Arbeitgeber:innen haben uns zu diesem Programm geführt. Lesen Sie gerne die Ergebnisse der damaligen Diskussionen nach.

Mehr zum Pflegedialog
 

Podcast

In dem Podcast Neustart – Die Zukunft beginnt mit uns beschäftigt sich der Autor Tobias Hülswitt mit einem breiten Spektrum von Zukunftsthemen. In jeder der Folgen wird ein Gespräch mit Expert:innen aus verschiedenen Bereichen geführt: Wissenschaftler:innen, Unternehmer:innen oder anderen Zukunftsmacher:innen. Am 6. August 2021 haben wir mit Tobias Hülswitt über die QuartierPflege gesprochen.

zur Modellübersicht im Detail | zu den QuartierPflege-Projekten