Imkern für Alle – so retten wir die Bienen

Mitten zwischen Stockholm und dem Polarkreis wohne ich zehn Tage bei einem Visionär, der unsere Bienen retten will. Der Bienenstock soll gläsern werden und damit "Imkern für Alle" möglich machen.  Ich bin ganz nah dabei und merke wie über die Dauer meines Aufenthaltes hinweg aus einem Beratungsauftrag ein gemeinsames Projekt wird. Ein Porträt von Richard Rossa.

Richard Rossa ist Ingenieur, genauer Verfahrenstechniker. Nach einem schweren Unfall, der seinem Leben eine neue Richtung gab, fing er mit dem Imkern an. Die Begeisterung für seine Bienen merke ich ihm sofort an. Er hat Respekt vor ihnen. „Es überträgt sich eine bestimmte Energie, die du spürst, wenn die Bienen fliegen und Honig sammeln“, sagt Richard. Die Bienen strahlen eine positive Energie aus, die sich auf uns Menschen überträgt.

Setzt sich das Bienensterben unbegrenzt fort, verlieren wir nicht nur diese energetische Bindung zu den Bienen, sondern die Tier- und Pflanzenwelt um uns herum wird viel ärmer sein. Etwas Grundlegendes ginge damit auch für uns Menschen verloren. Daher kämpft Richard für den Erhalt der Bienen. Und obwohl das gesamte Ordnungssystem durch uns Menschen bedroht ist. Monokulturen in der Landwirtschaft und die weiterhin rasante Versiegelung der Böden bedrohen die Bienen. Dennoch sieht er Chancen für die Tierart. Die Biene sei sehr anpassungsfähig und könne, anders als Robben oder Wale, ausweichen. In der Stadt bieten Balkonpflanzen, Gärten und Parks ausreichend Nahrung. Für die Haltung in der Stadt will er die Voraussetzungen schaffen.

Noch bevor ich Richard kennenlernte überlegte ich, Bienen mitten im München auf dem Balkon zu halten. Zwar wollte ich zuvorderst die starken Raucher unter mir mit Bienenschwärmen vertreiben, um endlich einmal ungestört Luft einsaugen zu können. Aber ich stellte während der Recherche fest: Imkern ist schwierig und kostet Zeit.

„Wie also soll das gehen, dieses Imkern für alle, Richard?“, frage ich ihn. Zunächst brauche es akute Hilfe für die Bienen. Aktuell würden ganze Völker durch den Befall von Milben sterben. Gegen den Varroa-Befall der Bienen will er vorgehen. Dazu hat er einen Prototypen bereits entwickelt. Der soll nun in Serie gehen. Aber das ist nur der erste Schritt. Mit seinem Wissen aus der Verfahrenstechnik will er den Bienenstock gläsern werden lassen. Imker können dann online alle Daten abrufen: Honigproduktion, Füllzustand der Waben, Anzahl der Bienen und vieles mehr.

In meinen Ohren klingt das sehr nach Technisierung der Imkerei, dem Hohelied der Technik. Aber Richard widerspricht.

„Mit meiner Methode können alle Imker werden. Honig wird dann rückstandsfrei, ohne Chemie und Genveränderung, produziert. Die Bienen werden vitaler und ich leiste einen nachhaltigen Beitrag zur Erhaltung der Art. Der einzelne Mensch wird den Bienen helfen. Wenn sich diese Menschen um Bienen kümmern, dann ergibt sich eine Interessensgemeinschaft. Durch den Kontakt mit Bienen bekommen sie sehr viel zurück und reden miteinander. Die können auch weiter dicke Autos fahren, aber es bewegt sich etwas und das verändert die Menschen“.

Hier wird Richard ernst. Es steckt Überzeugung in seinen Worten. Mit unserer Gesellschaft stimme etwas nicht. Die Menschen wüssten schließlich, dass sie immer weniger Rente bekämen und blieben trotzdem im System. „Irgendwelche Geier, die sich auf gesunde Unternehmen stürzen, sie ausplündern und sich den nächsten Opfern widmen, das ist gesellschaftlich voll akzeptiert“, ärgert er sich. Keiner nähme Verantwortung wahr, obwohl Millionen von Menschen betroffen seien. „Meine Überzeugung ist“, sagt Richard, „dass Geld verschwinden wird. Aktuell ist das Geld ungedeckt, und daher irreal. Als Gegenmaßnahme sehe ich Netzwerke von Leuten, die sich verständigen“.

Als mir Richard diese Dinge erzählt, sitzen wir in mitten zwischen Stockholm und Lappland, also im Nichts, im endlosen Wald. Ein Haus direkt am See, dazu ein Boot, kräftige Klamotten und 600 Kilo Getreide sicher im Keller verwahrt. Für die schlechten Zeiten. Wenn die Mitte der Gesellschaft stumm bleibe, gäbe es Krieg und Völkerwanderung, so seine Überzeugung. Deshalb ist er vor ein paar Jahren hierher gezogen.

„Ich habe keine göttliche Idee“, sagt er. „Ich bin nicht Mao und ich will auch nicht mit den Bienen alle Probleme dieser Welt lösen“. Aber wenn ein paar Leute sich so einrichten, dann hätten die Menschen eine Chance, die kommende Phase zu überstehen. Sie hätten Honig, könnten sich Kerzen ziehen und Honigbier trinken. Dies sagt er mit leichtem Augenzwinkern. Dabei sei Selbstversorgung eigentlich gar nicht sein Ding. Lediglich die Vernetzung helfe eben.

Ich komme mir in diesem Augenblick klein und tatenlos vor. Denn vor mir sitzt jemand, der alle Zelte in Deutschland abgebrochen hat, weil sein Glaube in Menschen und in die Entwicklungsfähigkeit unserer Gesellschaft so geschwunden ist, dass er sich zum Handeln aufgefordert sah. Gleichzeitig bin ich hier, um aus seinem Ein-Mann-Projekt ein Geschäft, eine Bewegung zu machen. Deshalb arbeiten wir seit fünf Tagen an einem Businessplan. Für mich klingt das widersinnig: warum will Richard Menschen für seine Idee einnehmen, wenn er doch die guten Kräfte in der Gesellschaft fast aufgegeben hat?

Auf meine Frage hin, guckt er mich spöttisch an und sagt: „Widerstände animieren mich. Ich war mal bei Bayer, dem Chemiekonzern. Da saßen zehn promovierte Chemiker und ich. Ich war dort zu einem Verkaufsgespräch. Ich habe dann einfach meine Kuscheltiere herausgeholt und damit Parität geschaffen. Da war ich nicht mehr allein. Die haben nichts gesagt“. Richard ist jetzt 55, seit 14 Jahren Schmerzpatient und kann nur vier Stunden pro Tag arbeiten. Aber ich glaube ihm sofort, dass er mit seiner Energie aus einem Projekt eine erfolgreiche Bewegung machen wird. Unglücklich sieht er jedenfalls nicht aus und das heutige Abendbrot zeugt von echtem Leben: 2,5 kg Lachsforelle aus dem See nebenan.

 

Vom Traumjob ins pure Leben