Titel: doors or no doors
"Wir müssen uns als Gesellschaft mit der gleichen Entschlossenheit dem Linksextremismus entgegenstellen, wie wir dies seit Jahren gegenüber dem Rechtsextremismus tun" - verlautbaren Stimmen aus der CDU
Als Gesellschaft?
22. Oktober 2016. Leipzig.
Ein Gedenkmarsch zieht zum Hauptbahnhof und erinnert an den damals 19-Jährigen Kamal K., der dort von einem Rechtsextremisten 2010 erstochen wurde. Die Leipziger Volkszeitung schreibt: "Etwa 300 Teilnehmer, überwiegend aus dem linken politischen Spektrum" hätten daran teilgenommen.
10. Mai 2017. Halle an der Saale.
Ein paar Studenten haben Tisch und Mikrophon organisiert, um auf dem Campus der Uni Halle an die Bücherverbrennung von 1933 zu erinnern. Diese wurde in Halle mit besonderem Eifer vollzogen. Sie sind in linken Gruppen, wenn nicht gar der AntiFa organisiert. Ich bin der einzige unpolitische Mitveranstalter und kann keinen Vertreter aus dem Konservativen oder Liberalen Spektrum ausmachen.
26. Juni 2015. Dresden.
Bei der Cooking Action Dresden wird wie schon so oft mit Geflüchteten gekocht. Man kommt ins Gespräch miteinander, lehrt spielerisch die eigene Sprache und lernt die Geschichten des Gegenübers. Auch werden Spenden gesammelt, die im Anschluss nach Freital gehen, wo ein rechter Pulk ein Geflüchtetenheim bedrohlich belagert. Flaschen und Beleidigungen fliegen. Ich sitze im Spendentransporter und kann vor dem Heim, wie auch schon bei der Kochaktion, hauptsächlich Menschen aus dem linken Spektrum ausmachen. Sie schützen das Heim und spielen Fußball mit Geflüchteten. Konservative Verbände zeigen sich mir nicht. Als die Proteste gegen das Heim nicht abreißen, besucht Ministerpräsident Stanislaw Tillich die Unterkunft. Parteifreunde oder Jugendorganisationen aus dem Konservativem Spektrum habe ich vor Ort nicht wahrgenommen.
Es ist selten die Gesellschaft, die sich entschlossen dem Rechtsextremismus entgegenstellt, es sind meist Teile von ihr. Und an den Brennpunkten oder schattigen Plätzen meiner Erfahrung nach vorrangig linke Aktivisten, die aufmerksam machen und sich dem braunen Gedankengut entgegensetzen. Dafür gilt ihnen mein Dank. Und es klingt in meinen Ohren befremdlich, wenn in Deutschland eine gesellschaftliche Entschlossenheit gegen Linksextremismus gefordert wird, "wie wir sie gegen Rechtsextremismus schon an den Tag legen". Ein Apfel ist keine Birne und ein Land nicht frei von seiner Geschichte.
Bildquelle: © Florian Kiel