Email-Brief an Frau Maischberger zur Sendung - Gewalt in Hamburg

Sehr geehrte Frau Maischberger,

der wahre Eklat Ihrer Sendung bestand meines Erachtens darin, dass Sie einen Gast hatten (Joachim Lenders, sekundiert von Herrn Bosbach), der mit dem Statement „Die Polizei hat alles richtig gemacht“ bzw. „… keine großen Fehler gemacht“ in die Diskussion ging und auch relativ unbescholten dabei bleiben konnte, obwohl aus einem Video-Beitrag ganz klar hervorging, dass anscheinend die Pressefreiheit bei einigen Beamt*innen etwas ist, das man mal kurzerhand aussetzen kann. Wenn man sich weitere Berichte und Videos und Stellungnahmen anschaut, dann ist das kein Einzelfall gewesen. Journalist*innen (ganz klar gekennzeichnet) wurden bedroht, weggestoßen, geschlagen. Anderen wurde die Akkreditierung weggenommen, sie wurden eingeschüchtert und an der Ausübung ihres Berufes gehindert. Das sind Kollegen von Ihnen! Die SZ titelt „Journalisten werden offenbar seit zehn Jahren beobachtet“. Vom BKA, zum eigenen Schutz, wie es dort weiter heißt. Nur, diese Journalisten wissen davon nichts.

Das ist höchst bedenklich! Noch bedenklicher ist, dass Lenders darauf nicht einmal eingehen muss. Er erwartet, dass sich Organisatoren einer Demonstration von Leuten aus dem schwarzen Block distanzieren, die sie nicht einmal kennen, weil eine Demo ein temporärer Zusammenschluss von Privatpersonen ist. Sollen die Leute, weil sie schwarz tragen, der Polizei von anderen Privatpersonen übergeben werden, BEVOR sie etwas gemacht haben? Okay, Vermummung ist, wie Bosbach sagte, eine Straftat. Ca. 90% haben diese abgenommen. 10% nicht. Dann ist es Abwägungssache: Wiegt das Recht auf Demonstration von Tausenden schwerer als die Pflicht der Polizei Straftaten zu verfolgen?

Das sah man anscheinend nicht so, die Polizei schritt ein. (Um eine Bewertung dieses Vorgehens geht es mir hier nicht!) Bosbach legte es jedenfalls implizit so dar, als ob die Exekutive, sobald sie eine Straftat sieht, diese halt auch unmittelbar zu ahnden hat. (Dass dies in der Realität mitnichten so ist, geschenkt!) Andernfalls entstünde, laut Bosbach, ein „rechtsfreier Raum“, wie die Rote Flora. Die Rechnung dahinter lautet: Viele gehen dahin und machen nichts, wenige begehen dort aber wahrscheinlich Straftaten, das duldet die Polizei bisher, damit muss Schluss sein.

Und bei dem Begriff des „rechtsfreien Raumes“ hätte ich mir, Frau Maischberger (und Jörges), von Ihnen erwartet, dass Sie einhaken, und zwar gewaltig! Es ist ein Skandal, dass Polizeibeamte so mit Journalisten umgehen! Sie hebeln dadurch die Pressefreiheit aus und das wiegt verdammt nochmal sehr schwer! Lenders musste sich NICHT distanzieren, er musste NICHT Stellung nehmen, er konnte einfach weiter süffisant lächeln und Bosbach konnte sich über die Nichteinhaltung von „mitteleuropäischen Gesprächsstandards“ echauffieren! Lächerlich angesichts dessen, um was es geht! Und Ditfurth hatte Recht, darauf zu beharren, weil Sie es nicht taten! Das ging völlig unter! Das konnte Lenders mit einer Handbewegung wegwischen und sich stattdessen über Ditfurts Fächer aufregen.

Titel: Er hat uns verlassen

Titel: Er hat uns verlassen

Gibt es Konsequenzen bei der Polizei, die „keine großen Fehler gemacht hat“, außer eben die Pressefreiheit – und sei es nur punktuell – für Null und Nichtig zu erklären, und außer ein gerichtlich genehmigtes Camp aufzulösen? Wo bleibt die Debatte darüber? Wie werden Beamte zur Rechenschaft gezogen, sowohl auf Führungsebene als auch im Kleinen? Wie sieht es denn mit der demokratischen Verfasstheit der Exekutive aus? Ich meine, solche Sätze wie „die Pressefreiheit gilt jetzt nicht mehr, hau ab oder du landest im Krankenhaus!“ (Gedächtnisprotokoll) sind nicht gerade harmlos!

Lenders will das natürlich intern lösen (falls es überhaupt Thema ist, was ich bezweifle). Allein sich nach so einem Wochenende hinzustellen mit diesem Statement, offenbart eine Kadermentalität, die wohl nur noch von der Bundeswehr (Stichwort NS-Devotionalien) und vom Verfassungsschutz (Stichwort NSU, Aktenvernichtung) übertroffen wird. „Wer es wagt, uns zu kritisieren, kommt sofort auf die Liste!“

Frau Maischberger, Ihre Aufgabe als Repräsentantin der vierten „Gewalt“ wäre es gewesen, den anderen anwesenden Repräsentant*innen der gesetzgebenden und der ausführenden Gewalten auf die Finger zu klopfen. Das haben Sie nicht getan!

#Maischberger #G20 #Pressefreiheit

(Noch ein unsachlicher Kommentar am Rande: Es ist jetzt 3:40 Uhr. Nach der Sendung war es mir leider nicht möglich zu schlafen. Was das unserer Volkswirtschaft kosten wird, ist noch nicht abzusehen!)

 

Bildquelle: © Florian Kiel

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